Plakat_Dante_Konzert

Nachwirkungen der Göttlichen Komödie



Sein Nachleben ist ungeheuer, so fern Dantes Leben und Werk heute auch sein mögen.

Zum Jubiläumskonzert „65jährigen Bestehens der Dante-Alighieri-Gesellschaft Wiesbaden“
(Musikalische Beiträge)

Er und seine „Göttliche Komödie“ wurden durch alle Jahrhunderte illustriert, später verfilmt, von Franz Liszt bis zur amerikanischen Metal-Band Alesana vertont, Robert Rauschenberg hat Fotos von John F. Kennedy für Dante-Collagen benützt, es gibt „Dantes Inferno“ als Computer-Actionspiel, und im Disney-Comic ist selbst Daniel Düsentrieb mal zum DanteMann mutiert.

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Früh hat ihn dafür sein Florentiner Landsmann Giovanni Boccaccio gerühmt. Der Autor des „Decamerone“ war befreundet mit Dantes beiden Söhnen und hat nach 1350 eine erste kleine Biografie seines Idols geschrieben. Darin sieht er Dante als Bruder Homers und Vergils, die ihren Landsleuten im Griechischen und Lateinischen die Welt der Literatur eröffnet hätten. Boccaccio erkannte am Beispiel Dantes, dass man in der Sprache des Volkes „jeden erhabenen Gegenstand behandeln könne“, so habe er diese Sprache „berühmt vor allen anderen gemacht“. Ein Affront: gegen den Lateinisch redenden Klerus und den absolutistischen Adel.

aus Boccacios Dante-Biografie....

… sein Vater gab ihm den Namen Dante... und das mit Recht, weil auf das vorzüglichste, wie man im Weiteren sehen wird, dem Namen die Wirkung folgte: Dieses war jener Dante, von dem hier die Rede ist; dieses war jener Dante, der in unseren Tagen von Gott mit besonderer Gnade begabt worden; dieses war jener Dante, der zuerst den Musen, die von Italien verbannt waren, den Weg öffnen sollte. Durch ihn wurde die Herrlichkeit der Florentiner Mundart dargetan. Durch ihn ward jegliche Schönheit der gemeinen Sprache nach gehörigen Regeln geordnet. Durch ihn, kann man füglich sagen, ward die verstorbene Poesie wieder zum Leben erweckt; welch alles, gehörig betrachtet, dass er nur den Namen Dante (das heißt der Gebende) zu tragen wert war, dartun wird.


Verfolgt wurde der Dichter und florentinische Ratsherr Alighieri der Politik wegen: zerrieben zwischen den Fraktionen der eher papsttreuen Guelfen und den auf den Staufenkaiser hoffenden Ghibellinen. Aus Florenz verbannt lebte er die letzten zwei Jahrzehnte, in denen er auch die „Göttliche Komödie“ schrieb, in Oberitalien. Sein lorbeerbekränztes Grab ist in Ravenna.

Obwohl offiziell noch im Mittelalter, betritt der Autor die Bühne als „Ich“ schon mit der ersten Zeile. Dante selbst hat sich am Karfreitag 1300 in einen finsteren Wald verirrt, es ist das Totenreich, durch das ihn als Helfer und Führer der antike Dichter Vergil, Verfasser des römischen Gründungsepos der „Aeneis“, geleiten wird.

Und die berühmte Inschrift überm Höllentor „Die ihr eintretet / lasst alle Hoffnung fahren“, sie hätte auch über Auschwitz oder einem Gulag stehen können. Arno Schmidt, der Dante kurz nach 1945 erstmals las, dachte beim „Inferno“ gar daran, dass es die Vision eines Konzentrationslagers gewesen sei.

Später aber hisst „das Schiffchen meines Geistes“ fröhlichere Segel, und Dantes Reise von der Hölle übers Fegefeuer („Purgatorium“) hoch in den Himmel führt ihn als ersten Menschen seit Adam und Eva zurück ins Paradies. Am Ziel der Jenseitsreise steht dann die Erkenntnis: Es ist „die Liebe, die beweget Sonn’ und Sterne“.

Diesem visionären Bogen sind, von Botticelli mit seinen Illustrationen der florentinischen Erstausgabe bis zu Gustave Doré und Rauschenberg, unzählige Künstler gefolgt. Mit am schönsten aber sind die 102 Farbzeichnungen und Aquarelle, die der englische Malerpoet William Blake bis kurz vor seinem Tod geschaffen hat.

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Einzig fehlt eine alles überragende deutsche Übersetzung. Zwar existieren seit dem 18. Jahrhundert gut 50 Versuche in Prosa und Versen, Dichter wie Stefan George und Rudolf Borchardt haben sich daran versucht, aber ein Luther wie bei der Bibel oder die Schlegel-Tiecks wie bei Shakespeare waren nicht darunter.

August Wilhelm Schlegel
Dante

Wes ist das Lied, das mit geweihten Zungen
Des Weltalls Höhn und Tiefen ernst verkündet;
Erst langsam durch des Abgrunds Nacht sich windet,
Der Prüfung Gipfel kühner schon errungen;

Dann, neu gekräftigt, himmelan gedrungen,
Daß Religion und Poesie verbündet
Noch nie so Cherubinen-gleich entzündet
Sich mit den Sphären schwungen und erklungen?

Zugleich der Tempel und des Baues Meister,
Schuf dieß lebend'ge Grabmal seiner Liebe,
Die er, beseligt, Beatrice nannte,

Verbannt hier, Bürger nur im Reich der Geister,
Wo in der Gottheit Schaun die Kraft dem Triebe
Nicht mehr erliegen muß, der große Dante.



Viele Dichter haben sich mit Dantes Werk auseinandergesetzt, darunter Johann Wolfgang von Goethe, der zwei denkwürdige Reden zu Dante-Jubiläen verfasste. Shelly beschreibt Dantes Wirken in seiner „Verteidigung der Poesie“.


Percy Bysshe Shelly
Aus „Verteidigung der Poesie“ (Übersetzung: Manfred Wojcik)

Die Poesie Dantes kann als die über den Strom der Zeit gespannte Brücke betrachtet werden, die die moderne und die antike Welt miteinander verbindet…

Dante verstand die geheimen Dinge der Liebe sogar noch besser als Petrarca. Seine Vita Nuova ist eine unerschöpfliche Quelle der Reinheit von Gefühl und Sprache: sie ist die idealisierte Darstellung jener Zeit und jener Abschnitte seines Lebens, die der Liebe geweiht waren. Seine Vergötterung der Beatrice im Paradies und die Darstellung der Grade seiner Liebe und ihres Liebreizes, von denen er sich wie von Stufen zum Thron des höchsten Wesens emporgetragen wähnt, ist die herrlichste Idee der modernen Dichtung überhaupt.

Dante war der erste religiöse Reformator, und Luther übertraf ihn eher in der Grobheit und Bissigkeit als in der Kühnheit seiner Kritik der päpstlichen Usurpation. Dante war der erste Erwecker des in Trance befindlichen Europas. Aus einem Chaos misstönender Barbarismen schuf er eine Sprache, die an sich schon Musik und Überzeugungskraft war. Er war der Sammelpunkt jener Geister, die an der Erneuerung der Gelehrsamkeit führenden Anteil hatten… Seine Worte sind vom Geist erfüllt; jedes ist ein Funken, ein glühendes Atom unauslöschlicher Ideen; und viele von ihnen liegen noch bedeckt in der Asche ihrer Geburt, den Blitzstrahl in sich tragend, der noch kein leitendes Medium gefunden hat…



und sein deutscher Zeitgenosse Heinrich Heine stellt Dante in „Deutschland. Ein Wintermärchen“ als einen großen Dramatiker dar, der, wie er selbst, wegen seiner kritischen Haltung im Deutschland des 19. Jahrhunderts sicherlich verfolgt worden wäre.

Heinrich Heine
Deutschland ein Wintermärchen (Ausschnitt)
- - -
O König! Ich meine es gut mit dir,
Und will einen Rat dir geben:
Die toten Dichter, verehre sie nur,
Doch schone, die da leben.

Beleid'ge lebendige Dichter nicht,
Sie haben Flammen und Waffen,
Die furchtbarer sind als Jovis Blitz,.
Den ja der Poet erschaffen.

Beleid'ge die Götter, die alten und neu'n,
Des ganzen Olymps Gelichter,
Und den höchsten Jehova obendrein
Beleid'ge nur nicht den Dichter!

Die Götter bestrafen freilich sehr hart
Des Menschen Missetaten,
Das Höllenfeuer ist ziemlich heiß,
Dort muß man schmoren und braten –
- - -

Doch gibt es Höllen, aus deren Haft
Unmöglich jede Befreiung;
Hier hilft kein Beten, ohnmächtig ist hier
Des Welterlösers Verzeihung.

Kennst du die Hölle des Dante nicht,
Die schrecklichen Terzetten?
Wen da der Dichter hineingesperrt,
Den kann kein Gott mehr retten –

Kein Gott, kein Heiland erlöst ihn je
Aus diesen singenden Flammen!
Nimm dich in acht, daß wir dich nicht
Zu solcher Hölle verdammen.



Das jüngste und schönste uns bekannte Gedicht, das nach der Lektüre Dantes entstand, schrieb der Dichter Ralf Schauerhammer zum 750. Geburtstag des großen Dichterphilosophen.

Ralf Schauerhammer
Dante lesend

Ich las noch spät zur Nacht in meinem Zimmer
des großen Dantes Werk, da fiel ein Schimmer
aus einer sternenfernen Welt herein
und wuchs heran zu einem hellen Schein,
der aus den Lettern dieses Buches Seiten
in meinem Geist begann sich auszubreiten.

Dem Buch entstieg, wie für mich auserlesen,
ein lichtgeboren-herrlich-schönes Wesen.
Ich glaubte diese Schönheit zu erkennen,
doch wage ich den Namen nicht zu nennen.
Ihr Blick und ihre Aura überstrahlten,
was Dantes Worte mir vor Augen malten.

Bevor ich noch in träumend klarem Sehen
sie fragen konnte, gab sie zu verstehen,
dass sie mir statt Vergil den Dichter Dante
als Führer durch des Herzens Hölle sandte,
der mit hinab in diese Kälte steige
und mir den Weg zur Herzenswärme zeige,

mir dann die Kraft zur Läuterung verleihe,
damit mein Leben ich der Liebe weihe.
Da konnte ich trotz großer Furcht verstehen:
Ich muss durch diese Feuermauer gehen!
Und ihre Schönheit weckte das Verlangen,
in diese Himmelssphäre zu gelangen.

Der neue Morgen kam, und ich erwachte
und wusste nicht, was wirklich war, und dachte –
und dachte lange nach, was mir geschehen.
Ich möchte diese Schönheit wiedersehen.
Drum folge ich des Leitsterns holdem Ruf,
den Dante für die ganze Menschheit schuf.


* * *



Die musikalischen Beiträge im Konzertprogramm

Anton Bruckner – Fantasie in G-Dur

Georg Friedrich Händel – 
Fantasie Nr. 10 in G-Dur

Wilhelm Friedemann Bach – 
Fantasie in a-moll

Wolfgang Amadeus Mozart  – 
Fantasie in d-moll KV 397

Ludwig van Beethoven – 
Sonate Nr.14 in cis-moll Opus 27 Nr. 2
                                        „Mondscheinsonate“
                                       Adagio sostenuto, Allegretto, Presto

Pause

Theodor Kirchner – 
Adagio quasi Fantasia Opus 12

Robert Schumann – 
Drei Fantasiestücke Opus 111

Franz Liszt – 
Après une lecture de Dante - Fantasia quasi Sonata,
                              aus Années de Pèlerinage,Deuxième Année




Zur „Dante-Sonate“ von Franz Liszt

Die Sonate ist das letzte der sieben Stücke aus dem zweiten Jahr der „ Années de Pélerinage“. Sie wird 1839 erstmals in Wien gespielt, im Jahr 1849 umgearbeitet und erhält 1858 die endgültigen Gestalt (herausgegeben bei Schott in Mainz).

Liszt wurde zur Komposition durch Dantes Göttliche Komödie angeregt, aber möglicherweise auch durch Victor Hugos Gedicht „Aprés une Lecture de Dante“.

Eine andere große Dante Komposition von Liszt ist seine Dante Symphonie

Die tonpoetische Schilderung des Infernos und der Qual der Verdammten (presto Thema in d-moll, als Darstellung der Seelen in der Hölle). Das Thema in Fis-Dur entspricht der Seligkeit der in den Himmel aufgenommenen, aber auch der Darstellung der Liebesepisode von Paolo und Francesca da Rimini. (Wie wörtlich diese Assoziationen zu nehmen sind ist allerdings fraglich, liegen aber wegen der Intensität der Musik nahe; es gibt jedoch keine direkten Hinweise Liszts.)

Stefan Mehlig, Klavier
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Stefan Mehlig stammt aus Mainz und studierte dort am Peter-Cornelius-Konservatorium bei Daniela Ballek. In Mainz wurde er 1990 Preisträger des „Förderpreises Kulturfond Mainzer Wirtschaft“.
Nach der künstlerischen Reifeprüfung folgten Studien bei Philip Lorenz an der „California State University Fresno“, USA die 1992 mit dem „Certificate of Special Studies in Music Performance“ abgeschlossen wurden. In Fresno gewann Stefan Mehlig mehrere Preise und war Mitglied des „Viotti Piano Trios“.
1995 wurde Stefan Mehlig für das von der Australischen Regierung vergebene Stipendium „Australian-European Awards Program“ ausgewählt um seine Ausbildung an der Universität von Melbourne bei dem international renommierten Pianisten Ronald Farren-Price fortzusetzen.
Für die Weiterführung der Studien in Melbourne erhielt er 1997 ein Stipendium von Rotary International („Rotary Foundation Ambassadorial Scholarship“) und beendete das Studium 1998 mit dem „Master of Music“.
Neben Konzerten in Deutschland hatte Stefan Mehlig bereits zahlreiche Auftritte in Australien, Frankreich und Kalifornien.

Ankündigung im Wiesbadener Kurier vom 04. November 2016
(Klicken zum vergrössern)

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